Familie Jäger aus Seebarn (Herrschaftliche Inventur- und Abhandlungsprotokolle)

Familie Jäger aus Seebarn (Herrschaftliche Inventur- und Abhandlungsprotokolle)

Der fünffache Urgroßvaters meines Mannes war Joseph Jäger. Geboren wurde er in „Tisen in Tyrole“ (vermutlich Tisens bei Meran in Südtirol) als Sohn von Valentin Jäger. Einen Großteil seines Lebens verbrachte er jedoch weit weg von seinem Geburtsort, in Seebarn bei Korneuburg in Niederösterreich.

Seebarn bei Korneuburg

Das Dorf Seebarn läßt auch heute noch erahnen, wie es zu Zeiten von Joseph Jäger ausgesehen hat. Auf der einen Seite der Hauptstraße liegt das von einer Feldsteinmauer umfasste Schloss und der Schlossgarten.

Bilder: Ansicht des Schlosses Seebarn, Druckgrafik 1820, Österreichische Nationalbibliothek via www.kultur-pool.at, CC BY-NC-SA 3.0 und eigenes Foto

Das Schloss Seebarn kam über die Gräfin Maria Charlotte (Karoline) Wilczek, eine geborene Gräfin von St. Hilaire und Ehegattin von Heinrich Wilhelm Grafen von Wilczek, in den Besitz der Familie Wilczek. Nach dem Tod des Grafen im Jahr 1739 wurde es an seinen Sohn, Reichsgraf Josef Maria Kaspar Wilczek, übergeben.
Er und sein Vater vergrößerten das Schloss. [1] Der Osttakt, die zweigeschoßige Schlosskapelle und ein Wirtschaftstrakt wurden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbaut.[2]

Gegenüber vom Schloss, auf der anderen Seite der Hauptstraße findet sich eine kleine Kapelle (die 1874 geweiht wurde) und mehrere Häuser, die um einen Obstgarten herum gebaut sind. Früher gab es einen Teich.

Familie Jäger

In Seebarn heiratete Joseph Jäger am 22.10.1769 Monica Pürkl (manchmal auch Pirkl, bei der Hochzeit verwitwete Fritsch). Im Heiratseintrag ist sein Beruf als  Bedienter beim Grafen von Willzeck“ angegeben.  Er dürfte also im Schloss Seebarn gearbeitet haben:1769 Jäger Pürkl Hochzeit

Quelle: Pfarre Harmannsdorf, Erzdiözese Wien, Tauf- Trauungs- und Sterbebuch Signatur 01,2,3-02, 1716-1784, fol 427, Seite 05-Trauung_0156 über Matricula Online

(Transkription und Übersetzung: Copulatus est Josephus Jäger Servus apud Comiti Wilzek, Valentini Jäger, vic. in Tisen in Tyrole, cum Monica Fritschin Vidua ex Seebarn; Getraut werden Joseph Jäger, Diener beim Grafen Wilzek, des Valentin Jäger, Nachbar in Tisen in Tirol, mit Monica Fritsch, Witwe aus Seebarn)

Das Ehepaar hatte drei gemeinsame Kinder, von denen allerdings nur Barbara Jäger das Kindesalter überlebte. Am 11.3.1777 verstarb Monica Jäger. Ihren Sterbeeintrag konnte ich in den Kirchenbüchern nicht finden, allerdings wurde ich bei den Herrschaftsakten fündig. Aus dem Inventur- und Abhandlungsprotokoll anläßlich ihres Todes gehen interessante Informationen über das Leben der Familie Jäger in Seebarn hervor.

Joseph Jäger hatte seinen Dienst im Schloss offensichtlich aufgegeben und gemeinsam mit seiner Frau ein Wirtshaus in Seebarn gepachtet. Monica Jäger wurde im Inventarium als „geweste hiesig Herrschaft. Bestand Wirtin zu Seebarn“bezeichnet:

1777 Inventarium Monica Jäger 1

Quelle: Inventur u. Abhandlungsprotokoll d. Hft. Kreuzenstein u. Leobendorf, 1771 – 1793, Signatur KG Stockerau 020/096, fol 297ff via FamilySearch.org

(Zur Einsicht der Akten ist eine kostenloste Anmeldung bei FamilySearch erforderlich.)

Die Auflistung des Vermögens enthielt Wein, Fleisch, Küchengeschirr, Mehl und Getreide und viele andere Positionen, die den Wirtshausbetrieb betrafen, sowie „Viech“ (eine Kuh, Schweine, Hühner und Enten – „Anten“). Vom Vermögen (141 Gulden und 20 Kreuzer) wurden die offenen Schulden abgezogen. Diese betrafen den Fleischhauer oder den Dienst Menschen“ und andere Handwerker. Daraufhin verblieben 16 Gulden und 58 Kreuzer.

Im Rahmen der Anhandlung wurden hierauf die Erben festgestellt:

1777 Inventarium Monica Jäger Erben

Quelle: Inventur u. Abhandlungsprotokoll d. Hft. Kreuzenstein u. Leobendorf, 1771 – 1793, Signatur KG Stockerau 020/096 fol 297ff, via FamilySearch.org

(Transkription: Erben
      –  der hinterbliebene Wittiber Joseph Jäger von der Verstorbenen 
      – die aus erster Ehe ehelichen Kinder
           Anton Emtinger zu Wien ein Bedienter (Anm.: in Wien als Bediensteter beschäftigt)
           Peter Paul, unwissend (Anm.: weitere Details unbekannt)
           Magdalena bey Hauß (Anm.: sie lebte bei ihrer Mutter und ihrem Stiefvater im Haus)
     – aus dritter Ehe
           Barbara Jägerin 5 Jahr alt)

Aus dem Heiratseintrag im Kirchenbuch ging bereits hervor, dass Monica Pürkl eine verwitwete Frau Fritsch war. Die Liste der Erben zeigt, dass sie zuvor auch schon eine Ehe geschlossen hatte, mit Herrn Emtinger (Vorname unbekannt). Aus dieser Ehe hatte sie drei Kinder in die Ehe mitgebracht. Mit Herrn Fritsch (Vorname ebenfalls unbekannt) hatte sie offensichtlich keine (überlebenden) Kinder. In den Kirchenbüchern der für Seebarn zuständigen Pfarre Harmansdorf konnte ich übrigens beide Vorehen der Monica Jäger nicht finden. Sie stammte ursrünglich aus „Grupaih, Mähren“, daher ist hier Weitersuchen angesagt. Laut Ortsverzeichnis auf Genteam gibt es mehrere Orte, die hier in Frage kommen könnten, zum Beispiel Ober- bzw Unter Krupa (heute Krupa Horni bzw Dolni) oder Krupei. Alle möglichen Orte liegen jedoch in Böhmen, nicht im Mähren.

Aus der Abhandlung der Verlassenschaft geht weiters hervor, dass Monica laut Aussage von Theresia Pirkl (ihre Schwester?) bereits zu Lebzeiten verkündet hatte, dass ihre Tochter Magdalena bestimmten Hausrat erhalten sollte (zum Beispiel eine „Tuchet mit blauem Überzug“, also eine Decke). Der Rest verblieb dem Ehemann Joseph. Die anderen Kinder  sollten nichts erhalten, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass die Mutter über kein wesentliches Vermögen verfügt hat. Dem Vater wurde außerdem „die kristliche Erziehung seines leiblichen, aus dieser Ehe erzeugten Kindes beauftragt, dazu er sich auch willig erklärt hat.“

Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau heiratete Joseph Jäger nochmals und am 21.7.1779 kam Sohn Johann auf die Welt. Seine Mutter war Josepha (ein Mädchenname findet sich in keinem Eintrag, den Hochzeitseintrag konnte ich bisher nicht finden). Mit Josepha hatte Joseph im Zeitraum 1779 – 1784 fünf Kinder. Nur Sohn Anton (geborgen am 17.1.1783) überlebte die Kindheit. Josephs zweite Frau Josepha verstarb am 11.3.1785 an „Scharbock“. Diese Krankheit ist auch als Skorbut bekannt, eine Vitaminmangelkrankheit, die bei anhaltendem Fehlen von Vitamin C in der Nahrung bei Menschen nach zwei bis vier Monaten auftritt.

Ihre Verlassenschaftsabhandlung zeigt, dass Joseph und Josepha den Wirtshausbetrieb offensichtlich fortgesetzt haben. Neu zum ehelichen Vermögen sind allerdings mehrere Äcker in der Gegend hinzugekommen. Vermutlich hat diese Grundstücke Josepha mit in die Ehe gebracht.

Die Hälfte des 400 Gulden ausmachenden Vermögens stand dem Joseph Jäger zu. Nach Abzug der Schulden wäre eigentlich Sohn Anton der Alleinerbe seiner Mutter gewesen. Es wurde jedoch festgestellt, dass bei der Hochzeit vereinbart worden war, dass Barbara, Josephs Tochter aus erster Ehe, die Hälfte des Erbes erhalten sollte. Beiden Kindern wurden also 76 Gulden und 47 Kreuzer zugesprochen.

Am 6.9.1787 heiratete Joseph ein drittes Mal. Seine Gattin Rosalia Zass/Zöß war die Pfarrersköchin aus dem benachbarten Manhartsbrunn. Sie war 20 Jahre jünger als ihr mittlerweile 45-jähriger Ehemann.

1784 Zapp Rosalia Hochzeit

Quelle: Pfarre Harmannsdorf, Erzdiözese Wien, Trauungsbuch Sinatur 02-03, 1784-1841, fol 239, Seite 02-Trauung_0104 über Matricula Online

Tragischerweise verstarb auch Rosalia nicht einmal fünf Jahre nach der Hochzeit kurz nach der Geburt (und dem Tod) des zweiten Kindes im Jahr 1790 an Misere (Erbrechen des Darminhalts aufgrund zB eines Darmverschlusses).

Ihre Verlassenschaftsabhandlung gibt ebenfalls wertvolle Informationen:

1790 Jäger Rosalia Inventarium 1

Quelle: Inventur u. Abhandlungsprotokoll d. Hft. Kreuzenstein u. Leobendorf, 1771 – 1793, Signatur KG Stockerau 020/096 fol 730ff, via FamilySearch.org

Jospeh und Rosalia führten das Wirtshaus offensichtlich nicht weiter, dafür ist beim Vermögen eine neue Position dazugekommen: „das neu gebaute Kleinhäusl neben der Herrschaft Breiten und Johann Döltl gelegen samt dazu gehörigem Gartl“. Die Eheleute hatten gemeinsam ein Haus gebaut, das mit 150 Gulden bewertet wurde. Die weiterhin vorhandenen Ackergrundstücke sowie Tiere (Kuh, Schafe und Hühner) passten zum Leben als Kleinhäusler. In Summe betrug das eheliche Vermögen beachtliche 459 Gulden und 49 Kreuzer.

Das Inventarium zeigt aber auch, dass die Kosten für die Errichtung des Hauses noch nicht abbezahlt waren. So wurden an Schulden Kosten für Steine, oder für den Tischler abgezogen. Außerdem dürfte das Ehepaar nicht nur den Grund für das Haus vom Grafen Wilczek gekauft (noch nicht gänzlich bezahlt) haben, sondern auch Geld von ihm geborgt haben, da 38 Gulden für die Position „Herrn Grafen Wilczek an Kapital“ als offene Schulden aufgelistet waren. Auch die Beträge, die Barbara und Anton Jäger von der Verlassenschaft von Josepha Jäger zustanden, waren noch nicht beglichen und wurden als Schulden erfasst.

1790 Jäger Rosalia Inventarium Schulden

Quelle: Inventur u. Abhandlungsprotokoll d. Hft. Kreuzenstein u. Leobendorf, 1771 – 1793, Signatur KG Stockerau 020/096 fol 730ff, via FamilySearch.org 

Die Erbschaft fiel zu zwei Dritteln an Joseph Jäger sowie zu einem Drittel an das einzig überlebende Kind der Ehe, Josepha.

Joseph Jäger selbst verstarb mit 65 Jahren, am 23.3.1805 in Seebarn „in seiner Wohnung Nr. 23“ an einem Lungengeschwür. Er lebte zu dieser Zeit bei seiner Tochter Barbara und deren Mann, (Johann) Paul Stich, denen er im Jahr 1792 sein Kleinhäusel übertragen hatte (der Kaufvertrag findet sich übrigens ebenfalls hier auf FamilySearch). Im Kaufkontrakt wurde Joseph Jäger „lebenslange Herberg“ zugesichert.

Aus seiner Verlassenschaftsabhandlung geht hervor, dass Joseph Jäger ein Testament gemacht hatte und seinen Besitz, insbesondere die Äcker, auf seine drei Kinder Barbara, Anton und Josepha aufgeteilt hat.

Praktische Tipps zum Auffinden von Herrschaftsakten

Die Geschichte der Familie Jäger zeigt, dass Herrschaftsakten eine wertvolle Quelle darstellen. Durch sie konnte ich viele Details über das Leben der Familie Jäger im 18. Jahrhundert in Erfahrung bringen, die ich über Kirchenbücher alleine nie gefunden hätte.

Teilweise kann es schwierig werden, die richtige Herrschaft herauszufinden. Manchmal findet sich dazu eine Anmerkung in Kirchenbucheinträgen („Untertan der Herrschaft…“). Eine weitere Schwierigkeit besteht darin festzustellen, an welches Bezirks- oder Kreisgericht die Herrschaftsakten übergeben wurden. Ich empfehle hier vorerst eine Suche im Findbuch des Landesarchivs Niederösterreich nach dem gesuchten Ort (Klick auf das Fernglas in der Menüleiste). Die Treffer zeigen die Sammlungen, in welchen Akten enthalten sind. Teilweise sind die Akten bereits im Findbuch online einsehbar. Wenn dies nicht der Fall ist, kann man im Katalog von Familysearch in der Sammlung der österreichischen Herrschaftsakten nach dem jeweiligen Bestand zu suchen und hat möglicherweise Glück und kann online in die Bücher Einsicht nehmen.

Im September/Oktober 1811  war übrigens der Dichter Joseph Freiherr von Eichendorff im Schloss Seebarn zu Gast. So wurde Seebarn auch einer der Schauplätze in seiner 1826 veröffentlichten Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“.[3] Vielleicht konnten Joseph Jägers Kinder einen Blick auf den berühmten Gast erhaschen?

Quellen

[1] www.seebarn.at
[2] DEHIO Niederösterreich Nördlich der Donau, 1990, Eintrag Seebarn, Seite 1074
[3] Historische Gärten Österreichs: Niederösterreich, Burgenland von Eva Berger, über Google Books

1866 – Preußische Soldaten bringen die Cholera nach Paasdorf (Niederösterreich)

1866 – Preußische Soldaten bringen die Cholera nach Paasdorf (Niederösterreich)

1866 – Einmarsch der Preußen in Niederösterreich

Im preußisch-österreichischen Krieg im Jahr 1866 ging es um die Vorherrschaft im Deutschen Bund. Nachdem die Preußen die österreichischen Truppen am 3. Juli 1866 bei Königgrätz besiegt haben, drangen sie ins nördliche Niederösterreich vor und besetzten Teile des Weinviertels. Der Krieg endete mit einem Waffenstillstand am 22. Juli 1866, dem „Frieden von Prag“. Bis 12. August zogen die preußischen Truppen aus Österreich wieder ab.(2)

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Bild: Prinz Friedrich Karl befehligt preußische Truppen, Künstler unbekannt, Public Domain über Wikimedia Commons

Während des Preußisch-Österreichischen Kriegs brach die Cholera im preußischen Heer aus und kostete 3139 Soldaten das Leben. Durch den Einmarsch in Niederösterreich brachten die preußischen Soldaten die Cholera auch ins Weinviertel.
Die neue freie Presse berichtete am 2. September 1866 Folgendes: Weiterlesen